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Schlepperbande für Reiche arbeitete mit Scheinfirmen

Auf wohlhabende Chinesen und Araber war eine Tätergruppe spezialisiert, die mit der deutschen Staatsbürgerschaft warb. Es gab zehn Verhaftungen. Das heimische Bundeskriminalamt reagiert.

Gerald Tatzgern ist in Österreich für den Kampf gegen Schlepper zuständig.
Gerald Tatzgern ist in Österreich für den Kampf gegen Schlepper zuständig.

Es ist eine etwas andere Schleppergeschichte, über die die Polizei- und Justizbehörden in Nordrhein-Westfalen kürzlich berichteten: Im größten deutschen Bundesland, wo mit 18 Millionen etwa doppelt so viele Menschen wie in Österreich leben, wurden nach einer Großrazzia zehn Verdächtige in Untersuchungshaft genommen.

Als mutmaßliche Haupttäter gelten eine Rechtsanwältin und ein Rechtsanwalt (42 und 46 Jahre) aus dem Raum Köln, die von ihren Kanzleien aus ein scheinbar vielversprechendes Netz zwischen Behörden und Unternehmen knüpften. Offiziell ging es darum, ausländische Fachkräfte aus Asien in die Bundesrepublik zu lotsen.

Doch wie die Ermittlungen zeigten, sollen "unter Ausnutzung der Sonderregelungen für ausländische Fachkräfte" von vermögenden Arabern und Chinesen jeweils fünf- und sechsstellige Beträge bis zu 350.000 Euro dafür kassiert worden sein, dass ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft vermittelt wurde, weil sie angeblich in Deutschland groß investieren wollten. Entsprechend bildeten die Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungsgruppe "Investor". Die deutsche Bundespolizei - sie ist wegen der illegalen Einschleusung der zahlenden Opfer zuständig - und die Zentralstelle der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gehen derzeit von 350 Fällen aus, die meisten betreffen chinesische Staatsbürger, es gibt aber auch Fälle mit Bezug zum arabischen Raum, zu Indien und Südafrika.

"Es wurden auch Scheinfirmen gegründet, aber es wurde nicht in allen Fällen Schmiergeld gezahlt", sagte Staatsanwalt Julius Sterzel von der Zentralstelle zur Verfolgung organisierter Kriminalität in Nordrhein-Westfalen mit Sitz in der Landeshauptstadt Düsseldorf auf SN-Anfrage. Das Modell sei auch über Internetseiten beworben worden. Die konzentrierten Ermittlungen seien gestartet worden, nachdem es Hinweise aus den zuständigen Ausländerbehörden von zahlreichen Landkreisen sowie Geldwäscheverdachtsmeldungen gegeben habe.

Die Razzia erstreckte sich auf acht deutsche Bundesländer von Schleswig-Holstein bis Bayern sowie die Millionenstädte Berlin und Hamburg, insgesamt etwa 1600 Bundespolizistinnen und Bundespolizisten standen dabei im Einsatz. Neben der Vollstreckung der zehn Haftbefehle kam es auch zur Festnahme von drei geschleusten Personen, die bei Durchsuchungen angetroffen wurden. Außerdem wurden 1,2 Millionen Euro in bar sichergestellt und drei hochwertige Pkw beschlagnahmt. Bei den übrigen Durchsuchungen an rund 220 Adressen wurden mehr als 300 Mobiltelefone, Laptops, Festplatten und Computer beschlagnahmt, weiters etwa 600 Aktenordner voll mit Unterlagen. Aus der Auswertung erwarten sich die Ermittler weitere Erkenntnisse über die Strukturen der Tätergruppe. Der Fall illustriert, wie professionell Schlepperbanden heutzutage agieren. Politisch steht das harte Vorgehen gegen Schleuser auch bei der deutschen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) weiterhin weit oben auf der Agenda, wie sie nach der Razzia betonte. Die Berichte aus Düsseldorf über den spektakulären Fall von Schlepperkriminalität erregten auch die Aufmerksamkeit des österreichischen Bundeskriminalamts. Gerald Tatzgern, langjähriger Abteilungsleiter für Schleppereibekämpfung: "Wir sind bereits in Kontakt mit unseren Kollegen in Deutschland, um zu dieser nun bekannt gewordenen Vorgangsweise Informationen einzuholen." Es sei ja nicht auszuschließen, dass es ähnliche Muster auch in Österreich gebe. Bei früheren Fällen, in denen gegen asiatische Schleppergruppen ermittelt worden sei, sei leider vor Gericht nichts herausgekommen. Es habe in der Vergangenheit bereits Fälle von Schlepperkriminalität in Österreich gegeben, in die auch Rechtsanwälte verwickelt gewesen seien. Es sei etwa um Unterstützung bei Sprachkursen sowie bei der Visabeschaffung gegangen. Ein wesentlicher Punkt sei auch die Zusammenarbeit mit China, das sei etwa auch bei einem Besuch des Sicherheitsministers aus Peking Anfang des Jahres in Österreich ein Gesprächsthema gewesen.

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