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Friedrich Achleitners Architekturführer nun abgeschlossen

Es war ein Jahrhundertwerk: "Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert" nannte Friedrich Achleitner sein Vorhaben, die neuere Bausubstanz des Landes zu dokumentieren und kommentieren. 1965 begann er damit. Nach fünf Büchern musste er 2010 seine Arbeit daran abbrechen. Das Material für den Niederösterreich geltenden Schlussband übergab er mit dem Rest seines Archivs 1999 an das Architekturzentrum Wien - für die "nächste Generation". Die hat das Projekt nun fertiggestellt.

2287 Objekte: Niederösterreich 'nach Achleitner'
2287 Objekte: Niederösterreich 'nach Achleitner'

"Wir sehen unser Buch nicht als Vollendung der Reihe. Wir sind nicht der letzte 'Achleitner'", sagt Theresa Knosp. "Es haben uns viele Fragen begleitet. Etwa: Wie kann man anschließen, gleichzeitig aber die Aufgabe neu interpretieren? Alleine auf der sprachlichen Ebene war das notwendig. Wie kann man ein Projekt des 20. Jahrhunderts auch medial in das 21. Jahrhundert transformieren? Und wie kann man etwas, das früher ein Einzelner gemacht hat, als Team organisieren?" Die Universitätsassistentin am Institut für Kunstgeschichte, Bauforschung und Denkmalpflege der TU Wien war seit der 2018 erfolgten Gründung Teil des Forschungs- und Publikationsprojekts AFNÖ (Architekturführer Niederösterreich).

Es war ein Projekt mit Hindernissen. Dietmar Steiner, der Gründungsdirektor und ehemalige Leiter des Az W, das mit dem Achleitner-Vorlass auch dessen Karteikästen zu allen Bundesländern übernommen hatte, konnte schon bald nach dem Start der Aufarbeitung des von Achleitner gesammelten Materials aus gesundheitlichen Gründen die Arbeit nicht mehr fortsetzen. Knosp übernahm gemeinsam mit ihrer Kollegin Doris Grandits und der Professorin Caroline Jäger-Klein die Aufgabe, das Kooperationsprojekt zwischen TU Wien, Az W und der Forum Morgen Privatstiftung neu aufzusetzen.

"Unser Anspruch war, dass möglichst alles, was Achleitner an Objekten erfasst hatte, auch in unserem Buch vertreten ist. Nach Durcharbeiten seiner rund 3.500 Karteikarten zu Niederösterreich mussten wir jedoch etwa die Hälfte aussortieren, weil es Dubletten waren, die Objekte infolge unvollständiger Angaben nicht eindeutig zu identifizieren waren oder die Gebäude heute nicht mehr existieren", erzählt Knosp im APA-Gespräch von der Arbeit, die vorhandenen Bestände in eine Datenbank einzupflegen. Im Zuge der umfangreichen Recherchen wurden auch Bauämter angeschrieben. "Viele Gemeinden beriefen sich aber, was die bei ihnen vorhandenen Bauakten betrifft, auf die Datenschutzgrundverordnung. Das hat uns, ebenso wie die Covid-Pandemie, in unserem Konzept schon ziemlich aus der Bahn geworfen."

Letztlich konnten aber nicht nur Achleitners Angaben nachrecherchiert und vervollständigt, sondern rund ein weiteres Viertel an Objekten hinzugefügt werden, sodass der Band mit dem originellen Titel "Architektur in Niederösterreich im 20. Jahrhundert nach Friedrich Achleitner", der am 15. Mai um 18 Uhr im Az W präsentiert wird, nun 2.287 Objekte umfasst. Topografisch gegliedert, typologisch sortiert und in vielen Fällen (allerdings weniger wertend als einst der auch als Dichter der Wiener Gruppe hervorgetretene Architekturkritiker) von insgesamt zehn Autorinnen und Autoren auch ausführlich beschrieben, stellt die Summe dieser Einzeldarstellungen eine Vermessung der Architekturlandschaft Niederösterreichs im 20. Jahrhundert in einer noch nie da gewesenen Breite dar.

Und was ist Theresa Knosps Fazit nach fünfjähriger Arbeit? "Dass die EU-Datenschutzgrundverordnung 2018 die Primärforschung massiv verkompliziert und in weiten Teilen fast verunmöglicht hat. Sehr erkenntnisreich waren auch die großen Unterschiede in der Reaktion von Gemeinden, Institutionen und Eigentümer*innen auf Anfragen im Zuge unseres Projektes, aus denen wir herauslesen konnten, wie unterschiedlich das Bewusstsein für Architektur und Baukultur ist. Alleine, was wir bei unseren Fahrten durch das Land an Zubauten und substanzzerstörenden Sanierungen gesehen haben, hat uns vor Augen geführt, wie wichtig ein breiteres gesellschaftliches Bewusstsein und eine Wertschätzung des Baubestands des 20. Jahrhunderts wären. Wir hoffen, mit dem Buch einen Beitrag dazu geleistet zu haben."

(S E R V I C E - "Architektur in Niederösterreich im 20. Jahrhundert nach Friedrich Achleitner", Herausgegeben von Doris Grandits, Caroline Jäger-Klein, Theresa Knosp, Architekturzentrum Wien. Mit Essays von Franziska Leeb, Ingrid Holzschuh, Monika Platzer und Gabriele Kaiser, Birkhäuser Verlag, 608 Seiten, 500 Abbildungen, 350 farbige Abbildungen, 48 Euro; Buchpräsentation und Podiumsgespräch am 15. Mai, 18 Uhr, im Architekturzentrum Wien, Museumsquartier)

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