"Die Zöliakie ist komplex und bleibt oft lange unerkannt."
Lili Kazemi-Shirazi
Fachärztin für innere Medizin
Diagnose Zöliakie: Über Blut- und Dünndarmspiegelung
Eben weil die Symptome der Zöliakie so weitreichend seien, bleibe sie häufig über einen langen Zeitraum unentdeckt. "Viele denken, dass sich bei einer Zöliakie zwangsläufig Bauchschmerzen ergeben. Das ist aber häufig nicht der Fall, sondern es kann zu vielen anderen Symptomen kommen", erklärt Kazemi-Shirazi. Eine Zöliakie werde häufig nicht als mögliche Ursache für gesundheitliche Probleme in Betracht gezogen. Über eine Blutprobe werden die zöliakiespezifischen Antikörper bestimmt, eine Entnahme einer Probe der Darmschleimhaut bei einer Spiegelung des Dünndarms gebe schließlich Gewissheit. Damit die Laborwerte eine klare Antwort geben könnten, sei es wichtig, dass bei einem Verdacht nicht im Vorfeld bereits auf glutenhaltige Lebensmittel in der Nahrung verzichtet werde, "das verfälscht das Ergebnis und wir wissen nicht, woran wir sind". Bei Kindern sei es unter bestimmten Voraussetzungen auch möglich, die Diagnose allein anhand der zöliakiespezifischen Antikörper im Blut zu stellen.
Handelt es sich tatsächlich um eine Zöliakie, ist die Konsequenz klar: Ein lebenslanger Verzicht auf alle glutenhaltigen Produkte ist notwendig, damit die Symptome gelindert werden und schließlich nach einem Zeitraum von Wochen bis Monaten ganz verschwinden. Zusätzlich seien Medikamente zur Therapie der Zöliakie in Entwicklung, führt Kazemi-Shirazi an, "an der Behandlung von Zöliakie wird viel geforscht".
1% bis 2% der Weltbevölkerung leidet an Glutenunverträglichkeit
Die Zöliakie ist weit verbreitet: Laut ausführlichen Studien vertragen ein bis zwei Prozent der Weltbevölkerung kein Gluten, dabei deutlich mehr Frauen als Männer. Österreich entspricht dabei diesem Weltdurchschnitt. "Wir gehen sogar davon aus, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Es gibt wahrscheinlich auch eine große Anzahl von Betroffenen, die keine oder noch keine Symptome haben", sagt Kazemi-Shirazi. Ein Land weist interessanterweise einen im Vergleich sehr niedrigen Wert auf: In Japan sind nur 0,05 Prozent der Menschen an Zöliakie erkrankt. "Möglicherweise, weil Weizen und glutenhaltige Produkte dort weniger Teil der landesüblichen Ernährung sind."
Denn tatsächlich sei es möglich, dass ein Mehr an Gluten im täglichen Speiseplan auch zu einem Mehr an Zöliakie in der Bevölkerung führe. Allerdings warnt die Ärztin davor, glutenhaltige Produkte zu verteufeln, die im Falle der guten Verträglichkeit ruhig Teil einer ausgewogenen Ernährung sein dürfen. "Wir verzeichnen einen Anstieg an Zöliakie-Betroffenen. Das hängt aber auch mit dem erhöhten Bewusstsein zusammen, es lassen sich mehr Menschen testen. Auch werden unsere Labortests immer besser, mit denen wir die Erkrankung diagnostizieren."
"Trotzdem auswärts essen gehen, sich nicht isolieren"
Der psychische Leidensdruck und die Angst davor, bei aller Vorsicht doch irgendwo etwas Glutenhaltiges aufzuschnappen, seien bei manchen Betroffenen enorm, berichtet Kazemi-Shirazi, "manche gehen gar nicht mehr aus dem Haus. Ich empfehle meinen Patientinnen und Patienten, sich auf keinen Fall zu Hause zu isolieren, sondern trotzdem mit Freunden und Kollegen essen zu gehen. Solange die oder der Betroffene selbst nichts Glutenhaltiges bestellt, kann nichts Schlimmes passieren." Viele Tipps, die in manchen Internetforen gegeben werden, seien völlig überzogen und Panik schürend. "Es ist zum Beispiel nicht nötig, neue Küchengeräte zu kaufen, wenn eine Zöliakie diagnostiziert wurde. Sie gründlich auswaschen reicht vollkommen." Generell empfiehlt die Ärztin Betroffenen, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen und sich ausschließlich bei seriösen Quellen über ihre Erkrankung zu informieren. "Dazu zählt unter anderem die Österreichische Arbeitsgemeinschaft Zöliakie."
Mehr dazu:www.zoeliakie.or.at